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Gedanken zu Ökonomie & Nachhaltigkeit

Jugendarbeitslosigkeit zeigt die Unterauslastung in Europa – Grenzen der Defizite weit entfernt

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während Deutschland sich über eine vergleichsweise niedrige Jugendarbeitslosigkeit von etwa 6% freuen kann, kämpfen Spanien mit 26% und Griechenland mit über 20% noch immer mit den Folgen einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Diese Zahlen sind mehr als nur Statistiken – sie repräsentieren Millionen junger Menschen, deren Potenzial brachliegt, deren Träume auf Eis gelegt sind und deren Zukunft ungewiss bleibt.

Das verschwendete Potenzial einer Generation

Stellen Sie sich vor, Sie betreten eine moderne Fabrik, in der nur jede vierte Maschine läuft. Die anderen stehen still, rosten vor sich hin, während draußen die Nachfrage nach den Produkten steigt. Genau das passiert gerade mit der europäischen Jugend. Die hohe Arbeitslosigkeit ist nichts anderes als eine massive Unterauslastung unserer wichtigsten Ressource: der menschlichen Kreativität und Arbeitskraft.

Pavlina Tcherneva, eine der führenden MMT-Ökonominnen, bringt es auf den Punkt: Arbeitslosigkeit ist kein Naturgesetz, sondern eine politische Entscheidung. Wenn der Staat es schafft, Milliarden für Bankenrettungen zu mobilisieren, warum sollte er dann nicht in der Lage sein, Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen? Die Modern Monetary Theory zeigt uns, dass ein Staat, der seine eigene Währung kontrolliert, niemals pleitegehen kann. Die wirklichen Grenzen liegen nicht bei abstrakten Defizitzahlen, sondern bei den realen Ressourcen – und davon haben wir in Europa mehr als genug.

Die Defizit-Hysterie und ihre Folgen

Seit Jahren wird uns erzählt, die Staatsverschuldung sei das größte Problem Europas. Die schwarze Null wurde in Deutschland zum Fetisch erhoben, während in Südeuropa drakonische Sparprogramme durchgepeitscht wurden. Das Ergebnis? Eine verlorene Generation.

Dabei zeigt uns die Modern Monetary Theory einen anderen Weg. Die tatsächlichen Grenzen staatlicher Ausgaben sind nicht Defizitzahlen, sondern die Inflation. Solange ungenutzte Ressourcen vorhanden sind – und bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 20% oder mehr sind das gewaltige Ressourcen – kann der Staat Geld in Umlauf bringen, ohne inflationäre Effekte zu erzeugen. Im Gegenteil: Er würde die Produktivität steigern und die Wirtschaft ankurbeln.

Millionen junger Menschen sitzen zu Hause, statt ihre Fähigkeiten einzusetzen. Fabriken laufen unter Kapazität. Innovationen bleiben in der Schublade. Diese reale Verschwendung ist das eigentliche Problem – nicht die Zahlen in den Haushaltsbüchern. Wenn wir diese ungenutzten Ressourcen aktivieren würden, könnten wir nicht nur die Jugendarbeitslosigkeit beenden, sondern auch den gesellschaftlichen Wohlstand erheblich steigern.

Die Job-Garantie als Lösung

Tcherneva schlägt eine elegante Lösung vor: die Job-Garantie. Der Staat fungiert als "Employer of Last Resort" und bietet jedem, der arbeiten will, einen Arbeitsplatz zu einem existenzsichernden Lohn. Das klingt radikal? Ist es auch. Aber es ist vor allem eines: machbar.

Denken Sie an all die Aufgaben, die in unserer Gesellschaft liegenbleiben:

  • Parks, die gepflegt werden müssten
  • Alte Menschen, die Gesellschaft brauchen
  • Kinder, die Nachhilfe benötigen
  • Umweltprojekte, die auf Umsetzung warten

Die Liste ist endlos. Und gleichzeitig sitzen Millionen junger Menschen zu Hause und fragen sich, ob sie jemals eine Chance bekommen werden. Die Job-Garantie würde diese beiden Probleme gleichzeitig lösen.

Ein Job-Garantie-Programm würde zudem als automatischer Stabilisator wirken. In Boomzeiten wechseln Arbeitnehmer in den Privatsektor, in Krisenzeiten fängt das Programm sie auf. Die Löhne im Programm setzen dabei einen Mindeststandard, der auch den Privatsektor zu besseren Konditionen zwingt. Statt Arbeitslosigkeit als Druckmittel zu nutzen, würde die Job-Garantie einen Lohnanker setzen, der faire Arbeitsbedingungen für alle garantiert.

Warum die Inflationsangst unbegründet ist

"Aber die Inflation!", höre ich die Kritiker rufen. Doch schauen wir genau hin: Inflation entsteht, wenn die Nachfrage die Produktionskapazitäten übersteigt. Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 20% oder mehr sind wir davon meilenweit entfernt. Im Gegenteil: Wir betreiben eine deflationäre Politik, die Nachfrage und Produktion nach unten drückt. Die ungenutzten Kapazitäten sind gigantisch.

Zudem würde eine Job-Garantie nicht einfach Geld verteilen, sondern produktive Arbeit organisieren. Menschen würden wertvolle Dienste leisten, die Infrastruktur verbessern, soziale Aufgaben übernehmen. Das erhöht das reale Angebot an Gütern und Dienstleistungen – und wirkt damit sogar preisstabilisierend.

Die MMT-Ökonomen haben recht: Die wahre Inflationsgefahr liegt nicht in staatlichen Investitionen in Vollbeschäftigung, sondern in der künstlichen Verknappung von Arbeit und Produktion durch Austeritätspolitik. Wenn wir die brachliegenden Ressourcen aktivieren, schaffen wir Wohlstand ohne Inflation.

Zeit für einen Paradigmenwechsel

Europa steht an einem Scheideweg. Wir können weiter an der Defizit-Obsession festhalten und zusehen, wie eine weitere Generation ihre besten Jahre in Arbeitslosigkeit verbringt. Oder wir können endlich verstehen, dass die wahre Verschwendung nicht in Staatsdefiziten liegt, sondern in ungenutztem menschlichem Potenzial.

Die MMT zeigt uns: Geld ist kein knappes Gut für einen souveränen Staat. Knapp sind Zeit und Talent – und beides verschwenden wir gerade in einem Ausmaß, das sich keine Gesellschaft leisten kann. Die Jugendarbeitslosigkeit ist der Kanarienvogel in der Kohlemine, der uns warnt: So kann es nicht weitergehen.

Es ist Zeit, dass wir aufhören, die Wirtschaft wie einen Haushalt zu führen, und anfangen, sie wie das zu behandeln, was sie ist: ein Werkzeug, um das Leben aller Menschen zu verbessern. Die Grenzen der Defizite sind weit entfernt – die Grenzen der Geduld unserer Jugend sind es nicht. Wenn wir jetzt handeln, können wir nicht nur die Jugendarbeitslosigkeit beenden, sondern auch zeigen, dass eine andere Wirtschaftspolitik möglich ist – eine, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Die Wahl liegt bei uns: Weiter auf die falschen Zahlen starren oder endlich die richtigen Prioritäten setzen. Die jungen Menschen Europas haben eine Antwort verdient – und sie haben sie jetzt verdient.

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